Militärkleidung ist allgegenwärtig, vom Schulrucksack, der mal Tornister war über Cargopants, die mal Feldhosen waren. Lassen wir mal Modeartikel und Drittanbieterprodukte (die nach den Regeln der Marktwirtschaft produziert wurden) weg und schauen uns nur wirklich dienstlich gelieferte Ausrüstung an. Ist dieser „BW Surplus“ wirklich das one+plus-ultra?
Unzerstörbar, zeitlos und preiswert – das sind die Eigenschaften, die militärischer BW Ausrüstung, meist gebraucht, nachgesagt werden. Das trifft in der Regel auch zu, das Problem steckt eher in der Erkenntnis, dass die Robustheit durch hohes Gewicht erkauft wird, die Zeitlosigkeit leider auch den modernen Erkenntnissen hinterher hinkt und der Preis dem Zustand und dem Umstand, dass das Militär es nicht mehr haben möchte, geschuldet ist!
Militärische / BW Ausrüstung folgt einem Grundsatz, der am besten durch „Murphys Laws of Combat Operations“ beschreibbar ist: „Remember, your gun was made by the lowest bidder!“ (Sinngemäss „Immer dran denken, der billigste Anbieter erhält den Zuschlag!„)
Die Produktion / Entwicklung der Militärausrüstung folgt bestimmten Anforderungen, zu denen Komfort und Performance, leider, nicht immer zählen.
- Widerstandskraft (wer seine Ausrüstung nicht bezahlen muss, geht evtl nicht sehr pfleglich damit um)
- Preis (Ausrüstung, die in Massen angeschafft werden muss, muss ins Budget passen)
- Verfügbarkeit (Eine Festlegung auf proprietäre Produkte sorgt im Worst Case für Ausfälle in der Lieferkette)
Also wird ein Produkt benötigt, dass von mehreren Vertragsfirmen gefertigt werden kann, frei von proprietären Materialien und Urheberrechten ist, auch groben Mißbrauch übersteht und dabei immer noch in das Budget passt. Dass hierbei dann Ergonomie und Detaillösungen auf der Strecke bleiben, liegt auf der Hand.
Ein Punkt, der bei Surplus immer einen Haken darstellt, ist das Alter. Kontinuität ist das Zauberwort, was bei einer Armee eingeführt wird, kann durchaus State of the Art sein – zum Zeitpunkt des Release. Der kann aber, je nach Gegenstand, weit zurück liegen!
Am Beispiel der Bundeswehr:
– der Schnitt der Felduniform ist aus den 70ern
– das Kochgeschirr aus dem 1sten WK (angepasst)
– Der Rucksack ist die abgespeckte* Version eines Modells aus den 90ern
– Das „Soldat95“ Koppelsystem ist die Kopie des kanadischen Koppels aus den 80ern**
(*der ursprüngliche Rucksack hatte einen Beckengurt, breite Schulterpolster und einen versteiften Rücken – war aber nicht im Budget)
(** das kanadische System, siehe nächstes Bild, unfasste eine dicke Polsterung für Koppel und Tragegestell, 5 zusätzliche Universaltaschen und Gurtboxtaschen für MG, Adapter für andere Gurtsysteme und Verlustsicherungsschlaufen) – all das wurde bei der BW Kopie gestrichen)
Man kann also damit rechnen, das man Ausrüstung erwirbt, die ihren Zenith schon 20-30 Jahre überschritten hat. Den Rekord hält da die Pistole M1911 – die tatsächlich zum ersten Weltkrieg eingeführt wurde und, mit Anpassungen, teilweise heute noch Dienst tut. Das aktuelle Kochgeschirr der US Armee ist da, mit Baujahr 1942, geradezu modern!
Zu jeder Regel gibt es Ausnahmen, das ist klar. Der neue Nässeschutz von Wahler für die Bundeswehr ist klasse, Vaude hat für die BW Gebirgstruppe erstklassige Zelte gebaut und vor allem bei den Briten halten Firmen/Marken wie Thermarest und Primaloft mit Ausrüstung, die modernem Trekking Equipment in nichts nachsteht, Einzug! Und natürlich bekommen Soldaten in Spezialverwendung bessere Ausrüstung – aber das Thema ist Surplus!
Es gibt aber auch Abseits des Bundeswehr Surplus Alternativen! Zum einen gibt es Nachbarländer, die die Beschaffung deutlich flexibler handhaben (so sind z.b. LOWE Rucksäcke preiswert auf dem Markt, aus Beständen der NL Landmacht, aus Beständen des USMCs bekommt man Arcteryx Rucksäcke für schmales Geld und aus britischem Surplus Thermarest und Snugpakprodukte aus Überbeständen!). Aber auch der zivile Markt bietet, mit Firmen wie ESSL (AT), Snugpak (UK) oder Tasmanian Tiger (DE) preiswerte Produkte, auf dem aktuellen Stand, mit guter Performance. Ein guter Anlaufpunkt ist hier die Firma Räer in Hildesheim!
Das Fazit, dass ich gezogen habe, ist wie folgt: Bundeswehrausrüstung kann(!) ein Schnäppchen sein, wenn man einen ganz schmalen Geldbeutel hat. Dann macht man aber bewusst Abstriche in Ergonomie und Performance. Für etwas mehr, sei es Recherche / Geduld oder Budget, bekommt man deutlich besseres für schmales Geld.
Oder noch kürzer: BW Ausrüstung mag oft das Billigste sein, was man bekommen kann, ist aber seltenst das Preiswerteste!
/grimm
Quelle Bild1 – BW Soldaten im KFOR Manöver
DefenseImagery.mil. SSGT MARIA J. LORENTE, USAF
Als ein Werk der Regierung der Vereinigten Staaten ist diese Datei gemeinfrei.
Quelle Bild2 – Auszug aus Handbuch der kanadischen Streitkräfte
Canadian MOD, gemeinfrei
Kommentar verfassen