Hallo, dieser Artikel schlummert schon länger auf meiner Festplatte, ich weiss offen gestanden auch nicht, warum ich ihn bisher nicht veröffentlicht hatte…
Ich wollte gerne, in losen Abständen, 1-2 Tages Wandertouren machen, mit ausschliesslich FMA (Frühes Mittelalter) Ausstattung, also quasie ein FMA Soldat / Kriegsknecht auf dem Weg zum Lehnsherren oder ein Wikinger, der Siedlungsgebiet aussucht. Dabei ist mein Plan wirklich ausschliesslich Ausrüstung aus dem FMA mit zu führen, d.h. Feuerstahl statt Feuerzeug, Wolldecke statt Schlafsack, etc. Verpflegung auch ohne Snickers, Chips und Apfelsaftschorle.

Mein Ziel war es, neben dem „erleben“ und der Herausforderung, auch die Ausrüstung auf ihre Tauglichkeit zu prüfen und zu sehen welche Rekonstruktionen Sinn machen. Zu sehen, welche Lösungsansätze sich ergeben und welche Probleme sich stellen.

Mein geplante Liste an Ausrüstung war (* = musste zu Beginn noch beschafft werden):
– Nadelgebundene Socken aus handgesponnener Schafswolle (2x)
– Wendegenähte Schuhe nach Fund in Schleswig
– Beinwickel aus Wolle, gehalten von Flechtbändern mit Silberschnalle
– Unterhose und Leibhemd aus Leinen *
– Hose aus Wolle, nach Funden aus Schleswig
– Wollkittel mit Besätzen
– Rechteckmantel aus nicht-entfetter Schafswolle mit Bronzefibel
– Kapuzenkragen („Gugel“) aus Wolle
– Kappe aus Wolle
– Je nach Witterung ein Klappenrock (Kaftanartiger Mantel)

Zum Schlafen plante ich
– Eine Wolldecke, aus nicht entfetteter Wolle * (+ mein Mantel)
– Unterlage Reisig/trockenes Grass

Kochutensilien werden
– kleiner Topf aus genieteten Blechen
– Holzschüssel aus Kirsche, nach Fund in Schweden*
– Holzlöffel
– Essmesser
– Holzbecher
– Wasserflasche aus Leder oder Ton

Fürs Feuer nehme ich mit
– Schlageisen
– Feuerstein
– verkohltes Leinen, Birkenpapier, Kienspäne
– Lederbeutel

Erste Hilfe wird abgedeckt durch
– Leinentuch, Lederbänder
– Torfmoos
– Rindertalg
– Kamille
– (Handy für schwerere Sachen)

Essen ist geplant:
– Brot, vorab selbst am Feuer gebacken
– Schinken, geräuchert
– Käse
– Äpfel
– Mehl für weiteres Brot
– Zwiebeln
– Gewürze

Werkzeug soll mit
– Saxmesser* oder Handbeil
– Hanfseil oder Lederriemen

Im Februar 2014 kam der erste Test, es wurden nur enzelne Elemente mit Failsafe Plan getestet. Erkenntnisse möchte ich hier präsentieren*.

Die Axt… Wer sagt „Jeder Wiki hatte ne Axt, denn die war billiger als ein Schwert“ hat leider noch nie mit einer billigen Axt gearbeitet. Ich habe 2 Äxte im Einsatz gehabt, eine von einem Replikenhändler dessen Namen ich aus Fairniss nicht nennen werde, eine von einem Schmied. Erstere kostete 40 EUR, letztere 120EUR. Die erstere hatte keine selektiv gehärtete Schneide, hatte demnach Ausbrüche an der Schneidphase, wurde schnell stumpf und das Blatt verbog sich. Die zweite war selektiv gehärtet, damit konnte ich NACH dem entrinden einer Fichte auch noch Kräuter schneiden.

Der Sax: Holzhacken auf Dauer, wenn man drauf angewisen ist (Februar, -10°, 20cm Schnee) ist ein Unding. Vorgesägtes Holz auf Märkten, abgelagert, ja sicher. Aber gewachsenes Holz, teilgefroren, mit massig Astlöchern war eine Qual. Mit dem Beil ging es besser, aber ein Spass war es nicht und Lagerfeuerromantik wollte nicht aufkommen.

Schuhwerk: Akzeptiert man, dass auch gute Wendeschuhe undicht werden, ist alles OK. Nadelgebundene Socken hatte ich nur zum Schutz der Füsse vor Schnitten an, die Isolation gab trockenes Grass und feine Tannentriebe. War das Nass, wurde es getauscht. Die Füsse wurden regelmässig am Feuer getrocknet.

Schlafen: Ab 40cm Fichtenzweigen wird es gemütlich. Eine Wolldecke an sich reicht kaum zur Isolation, jedoch habe ich auch nicht den metabolismus eines Wikingers. Mit dem Schrägdach aus Zweigen und dem Feuer ist es aber erträglich.

Trinken: Wenn man keinen Bock mehr auf heisses Wasser OHNE einen Tropfen Milch hat (und keinen Alkohol trinkt), ist Fichtennadeltee durchaus Lecker. Hat etwas von einem grünen Tee. Die Jungen Triebe kann man auch kauen wie Kaugummi.

Wartung: Der Birkenporling ergibt tatsächlich ein gutes Werkzeug, um Messer und Äxte, nach dem Schliff mit Bachkiesel, abzuziehen. Der daraus gewonne Tee ist wiederum eklig. Die Heilkraft als Pflaster musste ich gottlob nicht testen.

Feuer machen: Mit Übung kein Problem, aber z.b. Charkloth als Zunder hat den fiesen Nachteil, eine Halbwertzeit zu besitzen. Es reicht die Luftfeuchtigkeit der Transportdose, dafür zu sogen dass es keine Funken mehr fängt. Den Zunder dann in Birkenpapier einschlagen, das in ein Zundernest und pusten und binnen 1 min brennt das Feuer. Wer denkt „Feuerholz hacken? Hah, ich sammel dünne Äste, dann muss ich nix hacken…“ dem sei gesagt, dass man dann vor einem qualmenden Haufen Glut sitzt. Es ist nicht immer wie bei Bear Grylls

viking1

Im Frühling dieses konnte ich die Ausrüstung 44h intime testen. Ich war auf einen kleinen, privaten Event mit Hintergrundstory (Feier auf einem Gutshof auf einer dän. Insel) eingeladen. Vorgabe war, die volle Zeit intime, ohne Ausrutscher zu verbringen, einzig das Zelt war jedem frei gestellt, was er innen tat.
Ich habe mich dann entschieden, ohne Zelt, nur mit Plane anzureisen, was ergo bedeutete, dass ich nahezu eine 0-Toleranz Schwelle hatte für Anachronismen. Zudem wurde es laut Wetterbericht mit 8°c sehr huschig.

Ausrüstung am Mann getragen hatte ich dann:

  • Wendegenähte Schuhe mit Naalbindingsocken und Beinwickeln
  • Leinenhose
  • Leinenkittel mit Unterkittel, Wollkittel, Naalbindingmütze
  • Gürtel mit Messer, scharfen Sax und Gürteltasche, in der Gürteltasche Würfel, Feuerstahl/Stein/Zunder, Fibel, Nähzeug
  • Umhängetasche mit Teller, Schüssel, Becher, Trockenfleisch, etwas Brot, klein Glasflasche mit selbst gekochtem Sirup, Besteck
  • Im selbst gebauten Kraxen Rucksack aus Weidenästen, Bast und Leinen hatte ich
    Klappenrock, Wechselkittel, Socken und Hose, sowie ein paar einfache Schuhe, einen kleinen Kochtopf, darin Gemüse, Beutel mit Gewürzen und Kräutern, Fett und Honig, Speck, Käse und Brot, in Pergament eingeschlagen, ein Tonbecher Butter, Obst. Sowie Rechteckmantel und Gugel, einen Leineneimer, meine Werkzeugdose (ehem. Trinkhorn mit Deckel) mit Ahle, Schleifstein, Birkenpech, Zwirn, Lederflicken und Stoffflicken sowie einem kleinen Hobel, Kerzen mit Kerzenhalter und Erddorn, Birkendose mit Schmuck/Kleinzeug, 8x Erdnägel
  • auf den Rucksack geschnallt befand sich mein Schlafsack (s.u.), Plane, Seil, ein Beil, eine Tasche mit Zunder, eine weitere Wolldecke

Der Schlafsack war schon eine andere Nummer. Meine Erfahrungen letztes Jahr haben gezeigt, das man abseits des Feuers nur mit Mantel leicht friert. Ich wusste, dass es nur eine Feuerstelle geben wird, daher musste ich eine Lösung finden. ich hatte eine Textquelle, die von Seehundschlafsäcken sprach, was leider ethisch und legal relativ schwer ist. Daher griff ich zur nächsten Lösung: Die Samen nutzen, bis heute, zerfaserte Rinde, trockenes Gras und dünne Ästchen zur Isolation. Das nutzte ich für einen einfachen Deckenschlafsack, dessen Innenfutter dichtes leinen (meiner Allergie geschuldet) war und als Aussenhülle Loden, weil wasserabweisend.

So begann mein Trip, ich war dann gesattelt und trat, vom imaginären Bootssteg aus, den Weg Landeinwärts über ca 1km zum Hof des Gastgebers an. Erste Erkenntniss: Ich bin entweder ein Softi, mein Rucksack überladen oder die Schultergurte waren zu schmal. Egal, ein Guter hälts aus. Auf dem Hinweg wurden noch Champignons für das Mittagessen gesammelt.
Dann angekommen, Lagerplatz neben Kamerad ausgesucht, im Wald nach Totholz gesucht und 2 Zeltstangen geschlagen. Als das Schrägdach stand, wurde der Boden vorbereitet, sprich eine alte Wolldecke ausgelegt. Neben dem Effekt, dass es barfuss viel angenehmer ist, verhindert sie dass die Bodenfeuchtigkeit in die Schlafstatt kriecht, vor allem in den Morgenstunden aka Taustunde, sehr wichtig. Der Strohsack musste leider mit einer Isomatte gefüllt werden, da Stroh fehlte.
Da mir der Magen knurrte und mich auch fröstelte wurde erstmal der Topf aufgesetzt und Gemüsesuppe mit Speck gemacht. Während das köchelte kam ich mit einigen anderen Anwesenden, ins Gespräch und Speck, Käse, Räucherwurst und Trockenfleisch machte die Runde. Nach dem gemeinsamen Abendessen und Ausklang am Lagerfeuer ging es zum Waschen. Also barfuss in Leinenbüx und Unterkittel zum Waschhaus, sich gewaschen inkl. Haare, schnell geschrubbelt und Mütze wieder auf und dann barfuss zurück durchs nasse Gras, das erledigte die Fuss Hygiene. Die frischen Socken waren eine Wohltat mit keinem Hacksilber Dänemarks aufzuwiegen! Der Gerollte Klappenrock formte das Kopfkissen und das nächste was ich wahrnahm war ein „Thorsaie! Gut geschlafen!“ meines Nachbarn! Ja schon, war warm und so, aber Duuurst! Als ich nach meinem Holzbecher griff und mir aus meinem Eimer einen Schluck Wasser holen wollte, stiess ich auf unerwarteten Widerstand, denn das Wasser war gefroren.
Das motivierte mich dann, mir etwas dürres Gras zu suchen, Späne zu hacken und das Feuer anzuschüren. Verkohltes Leinen und Birkenrinde ist wunderbar als Zunder, und langsam kamen die Lebensgeister zurück, was mich daran erinnerte, dass der Klappenrock, den ich die ganze Nacht mit meinem Kopf erwärmte, noch ungenutzt unter dem Schlafsack lag! Das sollte sich ändern, dann ging es ans wesentliche: Frühstück. Reste von gestern, Speck, Brot und Butter brachten den Motor auf Betriebstemperatur.

Bis das Tagwerk anlief reparierte ich den Rucksack und schliff mein Messer, Axt und Sax, was schlagartig für Folgeaufträge und Wohlgefühle sorgte (denn der fränkische Auftraggeber testete das Messer sogleich an einer leckeren Räucherwurst, als guter Handwerker muss ich natürlich der Endkontrolle beistehen!)
Der zwote Tag verlief wie ein jedes Lager, gegen Abend folgte dann wieder die Waschung, diesmal sorgte ich jedoch vor und packte Reissigzweige in den Wassereimer, sodass dieser nicht gefror!
Der dritte Tag begann mit Abbau des Lagers, sodass hier schon wieder 21tes und 10tes Jahrhundert Hand in Hand gingen!

Was habe ich gelernt? Es funktioniert, bei mäßigem Wetter, auch ohne moderne Hilfsmittel, aber es ist definitiv herausfordernd. Vieles was als „das geht halt nicht anders“ als Kompromiss durchgewunken wird, muss eigentlich nicht sein. Ich habe bei der Verpflegung auf Pfannenbrot, geräucherten Schinken/Speck und Käse gesetzt. Dazu Butter in einem Tonfass und es am FR abgepackt. Am SO Abend war alles noch OK!
Auch das Schlafen ohne Bundeswehrschlafsack unter dem Mantel funzt prächtig. Wer Allergiker ist oder schlicht den Platz nicht hat, wird dennoch auf etwas platzsparenderes ausweichen müssen. Aber für mich schön zu wissen, dass es geht, wenn die Voraussetzungen gegeben sind!
Meine wichtigste Erkenntnis war eigentlich, das weniger wirklich mehr ist und das es enorm befreiend sein kann, ohne Hausrat in Kubikmetercharge auf ein Lager zu fahren!
Soviel von mir, mal sehen wann sich die nächste Möglichkeit ergibt!

* Ja, das war ein Latex Schild. Aber mit Ausnahme der Waffen, war alles auf dem Event unter realen Bedingungen!