In Foren wird für die Bushcrafter auch gerne, synchron zum „Waldhandwerker„, der Begriff des Waldläufers genutzt. Aber trifft das auf unser Hobby, welches für viele auch Teil der Lebenseinstellung ist, wirklich zu? Der ursprüngliche Begriff, abgeleitet von den „Coureurs des bois“, den franco-kanadischen Pelzhändlern, beschreibt eigentlich Fallensteller und Entrepreneurs, die im americo-kanadischen Grenzland mit den Indianern durchs Land zogen, von der Biberfellindustrie und der Jagd lebten. Das war ein harter Alltag und wenige erreichten die Altersgrenze von 40 Jahren, wenn Sie überhaupt ihren ersten Winter überlebten. Auch ein bekannter “Waldläufer” war David „Davy“ Crockett. Diese „Waldläufer“ werden im Englischen aber eher als Frontiersmen bezeichnet, also als “Grenzer” (die dämliche Übersetzung wurde leider auch im dt. für die Ranger in Game of Thrones / A Song of Ice and Fire übernommen). Ein bekannter “Frontiersmen” war Jim Bridger (und Frenchi Sublette und Linus Rawlings, wer den Schalk ohne Google erkennt, bekommt beizeiten ein Steak spendiert). Wo kommt er also her, warum verwendet man den Begriff so gerne? Ich denke, der Begriff Waldläufer wurde bei uns vor allem durch James Fenimore Coopers „Lederstrumpf“ geprägt. Coopers Vorbild wiederum war der echte Frontiersman Daniel Boone, der in Kentucky und Tennesse aktiv war (und dessen Todestag exakt auf 146 Jahre vor meinem Geburtstag fällt). Mit dem idealisierten Bild des ökologisch bewussten Freigeist hatte das Leben in der Wildnis, dem Grenzland („the Wilderness, the Frontiers“) wenig zu tun – das Tagewerk war harte, gefährliche Arbeit und endete für viele mit einem frühen, abrupten Tod.
Ich denke der Pathos mit „im Einklang mit der Natur“ ist eher im Bereich post-modernes Wunschdenken und Zivilisationsflucht zu verankern. In der rationalisierten, überbürokratisierten Zivilisation mutet das Leben auf eigenen Faust, niemand Rechenschaft schuldig und mit seiner Umwelt im Einklang sicher wie eine erstrebenswerte Welt an. In vielerlei Hinsicht mag das auch stimmen, nur ändert das nichts daran, dass die einstigen Waldläufer andere Motive hatten, als wir heute!
Wobei es da auch Ausnahmen gibt. Dem Ideal des modernen „Waldläufers“ entspricht sicher George Washington „Nessmuk“ Sears (2. 12. 1821 – 1. 5. 1890). „Nessmuk“, wie sich Sears in seinen Büchern nannte, war Sportjournalist für das Forrest-and Stream-Magazine in den 1880er Jahren und einer der frühen Naturschützer der USA. Er bewarb Touren in offenen, leichten Solo Kanus und damit das, was heute als Ultraleicht-Camping im Sinne der Freizeitgestaltung bekannt ist! Sein Fortbeil und sein messer waren mit die ersten Outdoor – Freizeitprodukte.
Ein gutes Bespiel für das aktiv gelebte Waldläufertum, wie es oft beschworen wird, lieferte auch Archibald „Archie/Grey Owl“ Bellany in Kanada. Als junger Mann in England aufgewachsen war er unzufrieden mit seinem Leben, das seine Erziehungsberechtigten für ihn ausgewählt hatten und setzte sich früh nach Kanada ab, wo er jobbte, eine Indianerin heiratete und Fallen stellte. Er sollte sich später zu einem wichtigen Natur- und Tierschützer Nordamerikas entwickeln und war vielen bis zu seinem Tod nur als „Grey Owl, der Indianer“, in dessen Rolle er voll aufging, bekannt.
Auch sein Bruder im Geiste, Galen Clark, war ein Zivilisationsflüchtling, jung verwitwet versuchte er sein Glück beim Goldrausch, erkrankte an Tuberkulose und zog sich in die Wälder Kaliforniens zurück um, wie er später sagte, „entweder wieder gesund zu werden oder in Ruhe zu sterben, die Chancen waren 50/50!“. Clark starb nicht, entdeckt dafür aber das Mariposa Tal, mit den heute weltbekannten Sequoia Mammutbäumen – und wirkte aktiv in der Entstehung des Yosemite Nationalparks mit! Letztendlich wurde sein Leben sogar mit Denver Pyle in der Hauptrolle verfilmt – 1976, meinem Geburtsjahr!
Die Frage, die bleibt: Sind wir nun Waldläufer? Nun, per Definition sicher, solange wir nicht radeln, springen oder kriechen *hehe*. Es gibt ja noch andere, eingedeutschte Begriffe, von denen mir eigentlich der Waldhandwerker am besten gefällt.
Eigentlich ist es auch egal, uns verbindet der Drang etwas zu tun, etwas zu erleben, Neues zu sehen und uns mit der Natur zu messen. Wir tun es aus freien Stücken, unsere „Vorbilder“ weil sie mussten. Aber unterm Strich ist es doch gleich, wie wir es nennen! Nur wünschte ich mir, dass das was diese Vorbilder taten, unter einem realistischeren, weniger romantisch verbrämten oder ideologisiertem Licht gesehen würde. Dann das schmälert deren Leistungen eigentlich mehr, als sie zu würdigen.
Und unterm Strich wollen wir doch alle, dass man würdigt was wir tun, oder?
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